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Jüdisches Leben in Lemberg
15. Oktober 2019, 19:30 Uhr
Vortrag von Jurko Prochasko (Hochschullehrer, Übersetzer (Deutsch, Polnisch, Jiddisch), Psychoanalytiker, Autor; Lviv).
Das Besondere an Lemberg ist, dass die jüdische Gemeinde bereits Mitte des 13. Jahrhunderts zu den Gründungsgruppen der Stadt gehörte und sich in den nächsten 100 Jahren neben den anderen Bevölkerungsgruppen frei entfalten konnte. Eine weitere Besonderheit besteht darin, dass hier gut 400 Jahre lang zwei grundunterschiedliche jüdische Gemeinden lebten.
Im weiteren Verlauf war Lemberg eine Hochburg der jüdischen Orthodoxie mitten im stark chassidisch geprägten Umland aber auch ein bedeutendes Zentrum der Maskelim, die besonders von den aufklärerischen Josephinischen Reformen profitierten. Das aufklärerische Judentum bildete die Grundlage für die spätere deutsch-jüdische Kultur und die deutschorientierte Assimilation, die allerdings ab dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts zugunsten der polnischen abgelöst wurde. Um 1900 stellte die unterschiedlich geprägte jüdische Bevölkerung Lembergs weit über 30 Prozent der Gesamteinwohnerschaft, um 1939 waren es deutlich über 100.000 Personen.
In Lemberg entstand mit dem Überfall Nazi-Deutschlands auf die Sowjetunion im Jahr 1941 das drittgrößte Ghetto im nationalsozialistischen Machtbereich. Während der Schoah wurden in der Stadt und Umgebung an die 130.000 jüdische Menschen ermordet. Nur etwa 800 Personen überlebten.
Auch nach dem Krieg sahen sich Juden Repressalien durch das sowjetische Regime ausgesetzt. Erst Ende der 1980er Jahre konnte sich die jüdische Kultusgemeinde vor einem völlig anderen Hintergrund neu erfinden. Heute leben in der Stadt etwa 4.000 Juden, allerdings hält die starke Tendenz zur Auswanderung weiterhin an.