Der Arbeitskreis Stolpersteininitiativen in der Region zwischen Harz und Heide, der im Sommer 2019 vom Israel Jacobson Netzwerk initiiert wurde, plante für den 8. Mai 2020 den 1. regionalen Putztag der Stolpersteine zum 75. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges. Parallel dazu sollte ein Begleitprogramm in vielen Ortschaften der Region, in denen Stolpersteine verlegt worden sind, durchgeführt werden. Unter dem Motto „Erinnerung aufpolieren“, wollte sich auch die Oberschule Liebenburg beteiligen. Das Coronavirus verhinderte dieses gemeinsame Anliegen. „Allein und ein wenig traurig habe ich deshalb am 8. Mai die Stolpersteine geputzt und an die Opfer der nationalsozialistischen Diktatur gedacht“, berichtet Dr. Kurt Fontheim.
Aus Schöningen hören wir:
„Begegnung beim Stolperstein-Putzen.
An einem Nachmittag im Mai schlug mein Mann Manfred vor, gegen Abend die Stolpersteine in unserer Stadt zu putzen. Wir gehören zum „Arbeitskreis Stolpersteine“ und haben uns dafür engagiert, dass zur Erinnerung an die ehemaligen jüdischen Bürger unserer Stadt, die in der Nazi-Zeit deportiert und ermordet wurden, Stolpersteine vor ihrem letzten freiwillig gewählten Wohnort gelegt wurden. In unserer kleinen Stadt Schöningen gibt es 32 dieser Steine, die wir im Frühjahr und im Herbst einmal putzen, damit ihre Messingoberflächen wieder glänzen.
Ich fand den Vorschlag meines Mannes gut und gegen 18 Uhr fuhren wir los, ausgerüstet mit Putzmitteln, Poliertüchern und Kniekissen. Vor einem ehemaligen jüdischen Geschäftshaus machten wir Halt. Dort sind im Pflaster des Gehwegs fünf Stolpersteine eingelassen. Als Manfred mit dem Putzen begann, gesellte sich ein etwa achtjähriges Mädchen zu uns, schaute zu und fragte interessiert, warum wir das da machen. Manfred, auf dem Kniekissen gestützt, erklärte dem Kind die Bedeutung dieser Gedenksteine. Er erzählte von jeder einzelnen Person dieser jüdischen Familie, die hier einmal gewohnt und vor vielen Jahren schlimmes Leid erfahren hat. Immer wieder fragte das Mädchen, das sich zu ihm auf die Erde gekniet hatte, mit großem Interesse nach. Warum? – Weshalb? Und als die Steinen vor dem Haus geputzt waren, erkundigte sich das Kind, wo denn noch mehr davon liegen.
Schon zwei Häuser weiter gab es weitere Stolpersteine zum Putzen. Hier wollte das Kind gern mithelfen, und gemeinsam haben sie die Steine bearbeitet und zum Glänzen gebracht. Zum Abschluss sagte das Mädchen: „Und nun erzähl‘ die Geschichte von dieser Familie“. Vor zwei weiteren Häusern hat das Mädchen dann auch noch beim Putzen mitgeholfen.
Am Ende haben wir uns von der kleinen Helferin mit Dank herzlich verabschiedet.“
Rosemarie Saak
Über den Arbeitskreis Stolpersteininitiativen zwischen Harz und Heide, können Sie sich hier informieren.