Dienstag, den 8. September 2020
In einem Doppel-Rundgang mit Martina Borrass und Susanne Weihmann konnten die Teilnehmer die vielen Spuren entdecken, die vom einstigen jüdischen Leben in Helmstedt noch zu sehen sind. Aufgrund der Corona-Pandemie durften jeweils nur 10 Teilnehmer an den beiden Rundgängen teilnehmen, die sich in zwei Gruppen vor dem Rathaus bzw. am Friedhof trafen.
Nur wenige wissen vermutlich, dass die heutige Georgienstraße noch bis ins 18. Jahrhundert Judenstraße hieß und das mittelalterliche Wohngebiet der kleinen jüdischen Gemeinde war, die erstmals 1247 in Helmstedt erwähnt wird. Über Jürgenstraße (1821) wurde sie schließlich zu Georgienstraße. Ob sich in den Gebäuden dieser kleinen Gasse jedoch noch Reste der mittelalterlichen von Juden bewohnten Häuser und ihrer Synagoge befinden, bleibt ungewiss.
Nach mittelalterlichen Siedlungsanfängen war über 300 Jahre Juden der Aufenthalt in Helmstedt verboten. Erst mit der Besetzung durch die Franzosen galt deren Gleichheitsgebot auch für die kleinen jüdischen Trödler und Händler, so dass sie sich gegen den Willen der städtischen Honoratioren Anfang des 19. Jahrhunderts wieder in der Stadt niederlassen durften. Umso erstaunlicher ist es, dass ausgerechnet die Helmstedter Julius-Universität - mit einer ebenfalls antijüdischen Vorgeschichte - dem Landesrabbiner und jüdischen Reformer Israel Jacobson die Ehrendoktorwürde verlieh. Inzwischen mehrheitlich zu ehrbaren Kaufleuten in guter Geschäftslage aufgestiegen, verloren die Helmstedter Juden Besitz, Heimat und Leben in der Zeit des Nationalsozialismus.
Der zweite Teil des Rundgangs führte die Mitglieder auf den jüdischen Friedhof am Rande des St.-Stephani-Friedhofs am Magdeburger Tor. Hier erläuterte Susanne Weihmann nicht nur die Geschichte des Friedhofs, sondern konnte auch zahlreiche interessante Geschichten zu den hier bestatteten Personen berichten. Mit einer Belegungsspanne von 1892 bis 1955 ist er bereits der zweite jüdische Begräbnisplatz seit der Wiederansiedlung. Seine zeittypischen, teils zweisprachigen Grabsteine sind erhalten und zeugen von der kleinen jüdischen Gemeinde.